Voller Erfolg: Alle Umschüler im Bielefelder Modellprojekt erreichen ihren Abschluss.

08.06.2021. Jobcenter-Angebot verbindet Sprachkurs, Qualifizierung und Beschäftigung vom ersten Tag an.

14 Geflüchtete – und damit alle Kursteilnehmer – haben in Bielefeld erfolgreich eine Umschulung zur Fachkraft für Metalltechnik abgeschlossen. Hinter diesen individuellen Erfolgen steckt die Zusammenarbeit zahlreicher Arbeitsmarktakteure und die Kombination verschiedener Instrumente zu einer lückenlosen Förderkette.

Startschuss von SCHÜCO

Ideengeberin für das Projekt war die Bielefelder Firma SCHÜCO. Hier wurde 2019 ein erheblicher Fachkräftemangel festgestellt. Nicht im eigenen Unternehmen selbst, jedoch bei Handwerksbetrieben, die die SCHÜCO-Fenster beim Endkunden einbauen. Für diese Aufgabe wurden Metallfacharbeiter gesucht, die körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten bewältigen können.

Das größte Bewerberangebot der Region

Angesichts dieses Personalmangels nahm SCHÜCO mit START NRW Kontakt auf. Diese arbeitsmarktorientierte Firma setzt auf Arbeitsnehmerüberlassung, um Erwerbslose dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Doch der angemeldete Bedarf an Metallfacharbeitern konnte aus dem Beschäftigtenpool nicht unmittelbar gedeckt werden. Deshalb suchte START NRW Unterstützung beim Jobcenter in Bielefeld, um neue Metallfacharbeiter zu akquirieren.

Eins führt zum anderen: Arbeitssuchende für konkreten Bedarf qualifizieren

Das Jobcenter Arbeitplus Bielefeld erkannte die Chance, Leistungsberechtigte dauerhaft in Arbeit zu bringen und sie dadurch unabhängig von Transferleistungen zu machen. Doch auch unter den Kundinnen und Kunden des Jobcenters gab es keine geeigneten Bewerber für die Bedarfe der Unternehmen. Es wurde deutlich: Um die durch SCHÜCO gemeldeten Stellen zu besetzen, mussten erst Metallfacharbeiter in ausreichender Zahl qualifiziert werden.

Diese Umschulung ist anspruchsvoll – und zeitaufwendig. Wie also konnten Bewerber zur Teilnahme an einer Förder-Qualifizierungskette motiviert werden, die sich über 2 Jahre erstreckt, wenn sie auch kurzfristig einen Job für Geringqualifizierte aufnehmen könnten?

 Menschen in Beschäftigung fördern: Das Beste aus beiden Welten

Arbeitslosengeld-II-Beziehende möchten unabhängig von staatlichen Transferleistungen sein – und dies möglichst schnell. Häufig führt die rasche Aufnahme eines Jobs ohne langfristige Zukunftsperspektive jedoch nicht zum Ziel und die Betroffenen werden schnell wieder zu Kund*innen des Jobcenters. Diesen „Drehtüreffekt“ zu vermeiden ist das erklärte Ziel des Jobcenters Arbeitplus Bielefeld. Und um auf dem heutigen Arbeitsmarkt dauerhaft eine Perspektive zu haben, ist eine gute Qualifikation – am besten eine Aus- oder Umschulung – unabdingbar.

Zentraler Bestandteil der Qualifizierungsberatung im Jobcenter ist es deshalb, die Bewerber*innen davon zu überzeugen, dass sich der zeitliche und mentale Aufwand einer solchen Maßnahme lohnt. Neben der Aussicht auf eine sicherere berufliche Zukunft sind es vor allem finanzielle Aspekte, die hier den Ausschlag geben. Und beides ist gegeben, wenn Umschulungs- und Arbeitsvertrag gleichzeitig unterschrieben werden können. Im Projekt des Jobcenters Bielefeld erfolgte der Beginn der Qualifizierung direkt am Folgetag nach der Einstellung über die Firma START NRW.

Das Instrument WeGebAU erlaubt die Förderung der Qualifizierung von Menschen, die nicht arbeitslos, sondern fest bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind. Unternehmen können mit der finanziellen Unterstützung des SGB III dem Fachkräftemangel entgegenwirken, indem sie eigene geringqualifizierte Beschäftigte weiterbilden und so die Beschäftigung ihrer Mitarbeitenden sichern.

Weil WeGebAU erfolgreich ist, wurde das Konzept auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) ausgeweitet. Hier ist sowohl die Förderung der Lohn- als auch der Qualifizierungskosten mit bis zu 100% möglich.

Im Sommer 2019 konnte es losgehen: Für 14 Erwerbslose wurde eine langfristige Perspektive als Fachkraft aufgebaut, für die assoziierten Handwerksbetriebe Personal zielgerichtet ausgebildet. Für das Jobcenter Arbeitplus Bielefeld stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest, die anspruchsvolle Maßnahme als Qualifizierungsangebot für Geflüchtete und Zuwanderer aufzulegen. Die Bewerber*innen konnten zwischen 25 und 45 Jahren alt sein. In dieser Altersgruppe war die Durchführung als vollumfänglich geförderte Umschulung möglich und die körperlichen Anforderungen der Tätigkeiten zu bewältigen.

Es folgten Werbung für die kombinierte Umschulung und zahlreiche Bewerberrunden. Eine Eignungsfeststellungsmaßnahme schloss sich an. Schlussendlich bekamen von den anfänglich gut 100 Interessierten nach intensiver Prüfung 14 den finalen Zuschlag. Diese haben nun alle die Umschulung mit einem Gesellenbrief beendet. 100% erfolgreicher Abschlüsse bestätigen den sorgfältigen Beratungs- und Auswahlprozess.

Sprache, Quali, Arbeit: Förderkette bringt den Erfolg

Nach der Einstellung durch START NRW absolvierten die Teilnehmenden zunächst einen gewerblich-technischer Sprachkurs bei den Euroschulen in Bielefeld – das B1 Niveau war hierbei als Ziel vorgegeben. Dieser 300stündige Kurs war aufgrund seiner berufspraktischen Ausrichtung auch möglich, wenn die Teilnehmer bereits alle Sprachkurse aus dem Angebot des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge abgeschlossen hatten.

Nach einer Vorschaltmaßnahme im Verein BAJ, dem Verein zur „Berufliche[n] Ausbildung und Qualifizierung Jugendlicher und Erwachsener“, die der Feststellung der Eignung in Bezug auf die fachlichen Kompetenzen diente, folgte dort die eigentliche Umschulung. Dieser Bielefelder Träger verfügt über eine umfangreiche Expertise u.a. bei der Umschulung im Bereich Metalltechnik und bei der Begleitung der Zielgruppe – dies zeigte sich hier besonders durch das Engagement und die Motivation, mit der das Team die Umschulung trotz der Herausforderungen der Coronapandemie fortführte.

Die Förderkette mit den beteiligten Akteuren, dem Arbeitgeber START NRW, den Euroschulen mit dem Sprachkursangebot und dem BAJ als Umschulungsträger erwies sich als stabil. Kein Teilnehmer brach ab, alle erhielten im Februar 2021 ihren Gesellenbrief sind damit zu genau den begehrten Arbeitskräften geworden, die Betriebe suchen, für die SCHÜCO ursprünglich aktiv geworden war. In der Folge fanden alle Umschüler eine Festanstellung bzw. stehen kurz davor.

Das erfolgreiche Projekt des Jobcenters Arbeitplus hat bereits einen Nachfolger nach dem gleichen Modell gefunden: Beim Bielefelder Nahverkehrsunternehmen moBiel wurden mit Förderung der Behörde zwölf zuvor Erwerbslose eingestellt und zu Busfahrer*innen qualifiziert. Weitere ähnliche Modelle sind für das 4. Quartal 2021 geplant.

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